Das Werk der Notwendigkeit in Platos Timaios

Martin Ritter

Die Studie sucht präzise zu bestimmen, was „das Entstehen aus Notwendigkeit“ in Platons Timaios bedeutet: aus welchem Grunde muss man zu dessen Beschreibung ein anderes Prinzip (Chóra) postulieren, wie ist dieses Wesen zu begreifen, und in welchem Sinne geht die mathematische Konstitution der Elemente letztlich aus Notwendigkeit bzw. aus Vernunft hervor? Die Auslegung zieht einige Unvereinbarkeiten des Textes in Betracht und zeigt, dass durch die Notwendigkeit partielle, atomische Körper (das Material der wahrnehmbaren Welt) hervorgebracht werden und dass die Notwendigkeit auch in den unvernünftigen Gesetzmäßigkeiten ihrer Begegnungen und Kollisionen waltet. Diese Phänomene sind zwar auf eine ihnen entsprechende Weise logisiert, nämlich durch Zahlen und Gestalten (so wird die Notwendigkeit „überredet“), diese Logisierung hebt aber die Notwendigkeit dieser Entitäten nicht auf, weil sie die Räumlichkeit, die Dimensionalität ihrer Erscheinungen, die einige notwendige Eigenschaften und Verhältnisse mit sich bringt, nicht aufhebt. Der Grund dieser notwendigen Eigenschaften ist dieWesensweise der Chóra, die aufgrund einer eingehenden Auslegung des Timaios mit dem ganz unbestimmtem Raum zu identifizieren ist, genauer gesagt mit einem Prinzip (nicht nur) dieses Raumes, das der kantischen reinen Anschauung des Raumes analog ist. Die Studie beweist, dass Chóra kein Stoff und keine Ursache der Bewegung ist, und erklärt, dass in die Beschreibung der Notwendigkeit auch der Demiurg miteinbezogen werden muss, weil das reine Prinzip der Notwendigkeit, das in wesenhaften Eigenschaften des Raumes impliziert ist, an sich selbst unbegreifbar bleibt.