Aristoteles über Herrschaft: zwischen Heidegger und Gagarin

Jakub Jinek

Die Theorie zur Herrschaft über die Sklaven im I. Buch der Aristotelischen Politik scheint mit zwei verschiedenen Bildern des Sklaven zu operieren: einerseits erscheint der Sklave als ausgebeutetes Instrument der Herstellung, anderseits als ein (wenig begabtes) Mitglied des Haushalts. Die meisten Interpreten neigen dazu, die Frage von einem modernen und liberalen Standpunkt allgemeiner Gleichheit der Menschen zu behandeln, wobei sie das erstere Bild für die eigentliche Auffassung des Aristoteles halten und dieses als ideologisch und in sich widersprüchlich kritisieren. Diejenigen hingegen, die eher „kommunitaristisch“ orientiert sind, heben das zweite Bild hervor und verteidigen das Vertrauensverhältnis zwischen Herr und Sklave als Ausdruck der Solidarität mit dem Sklaven. Dieser Aufsatz versucht zu zeigen, dass die Aristotelische Theorie keineswegs zweideutig ist, sondern dass die beiden genannten Bilder einander ergänzen und vervollständigen. Das I. Buch der Politik bietet uns somit eine komplexe Auffassung: ihr kann weder vorgeworfen werden, dass sie dem allgemeinen Menschenbild des Aristoteles widerspricht, noch ist es nötig, sie von einem kommunitaristischen Standpunkt aus zu verteidigen. Der Aufsatz untersucht vier verschiedene Kontexte, in denen die Sklavenfrage im I. Buch auftaucht: die Herrschaftslehre, die technische Verwendung der Sklaven, eine Psychologie der Sklaven und die Rechtfertigung der Herrschaft über sie. Besondere Aufmerksamkeit wird dem Kontext der Technik geschenkt, die im Zusammenhang der Auseinandersetzung zwischen Heidegger und Lévinas über das Wesen der modernen Technik erörtert wird. Die Lehre vom Sklaven als einem „Werkzeug für das Handeln“ weist sichtlich eher auf die moderne Technik (Lévinas) als auf die traditionellen Künste (Heidegger) hin; die ungewöhnliche Auffassung des Besitzes betont aber zugleich die Notwendigkeit der traditionellen Verantwortung des Verwenders für seine Werkzeuge.