Nietzsche in Böhmen

Ivan Dubský

Auf der Suche nach „blutsverwandten“ Landschaften, die so gut wie möglich geeignet wären, die schmerzhaften Qualen, die seine Krankheiten hervorriefen, zu überwinden, nach schattigen Waldwegen, auf denen er seine Gedanken notieren würde, gelangte Friedrich Nietzsche ins böhmische Marienbad. Hier ließ er sich in den Sommermonaten des Jahres 1880 nieder. Sein eigenes Werk gelangt erst in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts nach Böhmen, in einer Zeit, in der seine seelische Erkrankung voll zum Ausbruch kam. Diese Anfänge der Nietzsche-Rezeption in Böhmen bespricht der deutsche Slawist und Philosoph Urs Heftrich in seinem Buch „Nietzsche in Böhmen“. Die ersten Bemerkungen über Nietzsche sind mit nationalen Vorurteilen und Unverständnis verbunden, spater beginnt man, Nietzsches Werke zu lesen und zu übersetzen. Heftrich widmet drei von Nietzsche beeinflussten Tschechen besondere Aufmerksamkeit: dem großen Dichter Otakar Březina, dem Kritiker F. X. Šalda und dem eigenwilligen Denker Ladislav Klíma. Obwohl er die zeitgenössischen akademischen Interpretationen und die ersten Nietzsche-Übersetzungen Otto Fischers nicht berücksichtigt, stellt Heftrichts Arbeit einen bedeutenden Beitrag zur Historiographie der tschechischen Philosophie dar: ein deutscher Wissenschaftler erforschte ein Gebiet, das in breiterem Umfang von tschechischen Autoren noch nicht analysiert wurde.